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Technologien zur Genom-Editierung bieten grosse Chancen für die Behandlung genetischer Krankheiten. Methoden wie die verbreitete CRISPR/Cas9-Genschere setzen direkt an der Ursache der Krankheit in der DNA an. Sie werden im Labor genutzt, um das Erbmaterial in Zelllinien und Modellorganismen gezielt zu verändern und biologische Vorgänge zu untersuchen.
Prime Editing ist eine Weiterentwicklung dieser klassischen CRISPR/Cas9-Methode. Im Gegensatz zur herkömmlichen Genschere, die einen Bruch in beiden Strängen des DNA-Moleküls erzeugt, wird beim Prime Editing die DNA nur an einem Einzelstrang geschnitten und repariert. Die sogenannte Prime Editing Guide RNA (pegRNA) steuert punktgenau die Zielstelle im Genom an und stellt die neuen genetischen Informationen bereit, die anschliessend von einem «Übersetzungs-Enzym» umgeschrieben und in die DNA eingebaut werden.
Das Prime-Editing-Verfahren ist ein vielversprechender Ansatz, um krankheitsverursachende Mutationen im Genom von Patienten zu reparieren. Für eine erfolgreiche Anwendung ist es allerdings wichtig, dass unbeabsichtigte Nebeneffekte wie Fehler bei der DNA-Korrektur oder die Veränderung der DNA an anderen Stellen im Genom minimiert werden. Ersten Studien zufolge führt Prime Editing zu einer wesentlich geringeren Anzahl unbeabsichtigter Änderungen als herkömmliche CRISPR/Cas9-Ansätze.
Momentan müssen Forschende allerdings noch viel Zeit aufwenden, um die pegRNA für ein bestimmtes Ziel im Genom zu optimieren. «Pro Mutation gibt es über 200 Möglichkeiten zur Reparatur. Theoretisch müssten alle Designoptionen experimentell getestet werden, um jene pegRNA zu finden, die mit höchster Effizienz und Genauigkeit arbeitet», sagt Gerald Schwank, Professor am Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Zürich (UZH).
Gemeinsam mit Michael Krauthammer, UZH-Professor am Institut für Quantitative Biomedizin, suchte Schwank nach einer einfacheren Lösung. Die beiden Forschungsgruppen entwickelten eine Methode, welche die Effizienz von pegRNAs vorhersagen kann. Durch Tests mit über 100’000 verschiedenen pegRNAs in menschlichen Zellen generierten sie einen umfassenden Prime-Editing-Datensatz. Damit bestimmten sie, welche Eigenschaften einer pegRNA das Prime Editing positiv oder negativ beeinflussen – etwa die Länge der DNA-Sequenz, die Abfolge der DNA-Bausteine oder die Form des DNA-Moleküls.
In einem nächsten Schritt entwickelte das Team einen auf künstlicher Intelligenz basierenden Algorithmus, der die für die Effizienz relevanten Muster in der pegRNA erkennt. Anhand dieser Muster kann das trainierte Tool sowohl die Effektivität wie auch die Genauigkeit der Genom-Editierung mit einer bestimmten pegRNA voraussagen. «In anderen Worten: Der Algorithmus kann die effizienteste pegRNA für die Korrektur einer bestimmten Mutation ermitteln», erklärt Michael Krauthammer. Das Tool wurde bereits erfolgreich in Zellen von Menschen und Mäusen getestet und ist frei verfügbar.
Noch braucht es weitere präklinische Studien, bevor das neue Prime Editing-Tool beim Menschen angewandt werden kann. Die Forschenden sind aber zuversichtlich, dass in absehbarer Zeit die DNA-Mutationen von verbreiteten Erbkrankheiten wie Sichelzellanämie, Cystische Fibrose oder Stoffwechselkrankheiten mittels Prime Editing repariert werden können.
Nicolas Mathis & Ahmed Allam et al. Predicting prime editing efficiency and product purity by deep learning. Nature Biotechnology, 16 January 2023, Doi: 10.1038/s41587-022-01613-7