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So also tönt Wissenschaft: Ein Klingen, ein Rauschen, ein rhythmisches Rascheln durchdringt das Sammelsurium von Laborgeräten, ausgestopften Tieren, Arbeitswerkzeugen, das die Künstlerin Regula Zuber in den Labors und Büros der Universität zusammengetragen hat. Genau wie sie ging der Klangkünstler und Perkussionist Fritz Hauser auf Spurensuche im Universum von Forschung und Wissenschaft und brachte Klänge und Töne mit. Ihre gemeinsam realisierte Klanginstallation «Sound of Science» ist ein Highlight der Ausstellung «Transactions» und gemahnt zuweilen eher an Fabrikhallen, denn an die vermeintlich stillen Orte der geistigen Arbeit.
«What people do for money – some joint ventures» lautet der Titel der Kunstbiennale Manifesta 11, in deren Rahmen «Transactions» stattfindet. Ein Joint venture zwischen Kunst und Wissenschaft bringt auf den ersten Blick zwei unvereinbare Welten zusammen: Während Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler fokussiert darauf hinarbeiten, gültige, nachvollziehbare und nachprüfbare Ergebnisse zu erzielen, arbeitet Kunst oft mit Assoziationen, Mehrdeutigkeiten und Unschärfen. Doch es gibt auch Gemeinsamkeiten: Sowohl Kunst als auch Wissenschaft wollen mit den ihr eigenen Mitteln Erkenntnis über die Welt schaffen.
«Transactions» bringt die unterschiedlichen Herangehensweisen von Kunst und Wissenschaft in einen Dialog und spannt auf vielschichtige Weise Fäden zwischen Kunstwerken und Forschungsfragen. Prominent ragen im Foyer West die grossformatigen, in dreidimensionale Objekte übertragenen wissenschaftlichen Diagramme des kanadischen Künstlerpaar Richard Ibghy und Marielou Lemmens auf. Sie zeigen unter anderem die Produktivitätssteigerung, die aufgrund von Optimierungen der Arbeitsverhältnisse erzielt wurden. Mit ihrer handwerklichen Machart und den einfachen Materialien stellen sie jedoch den unbedingten Glauben in die Gültigkeit solcher Studien in Frage.
Auf ironisch kritische Art verweisen sie damit zu den Apparaturen des Psychologischen Instituts, die gleich daneben ausgestellt sind. Mit ihnen wurde zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts an der Universität Zürich erforscht, wie sich Ergonomie, Arbeitsrhythmus und -tempo auf die Leistung auswirken. Ist solche Forschung nun ein Segen für die Gesundheit der Arbeitenden, oder dient sie letztlich vor allem der Profitmaximierung der Unternehmen? Dieser Frage geht wiederum die Historikerin Brigitta Bernet nach, die eine Zeitgeschichte des Managements von Menschen als Ressource zeichnet, während gleich daneben die Videoarbeit von Marianne Flotron zeigt, wie Mitarbeitende in einem Betrieb mit Methoden des «Theaters der Unterdrückten», Strukturen und die daraus resultierenden Verhaltensweisen sichtbar machen.
Spannungsreich sind auch die Werke, die im Lichthof rund um das Thema Gerechtigkeit kreisen. In der Videoarbeit des Zürcher Künstlerduos Baltensberger Siepert wird ein chinesischer Wanderarbeiter mit einem unmoralischen Angebot konfrontiert: Die beiden Künstler bieten an, all sein Hab’ und Gut auf der Stelle zu kaufen und zwar zu jedem Preis. Daraus entspinnt sich ein vielschichtiger Dialog über Werte, Verhandlungen und was Menschen für Geld tun oder eben nicht. Hat der chinesische Wanderarbeiter eine Wahl, ob er quasi sein letztes Hemd verkaufen will, so bleibt vielen Binnenvertriebenen im Kongo immer häufiger nichts anderes mehr übrig, als ihren Körper für ihr Überleben zu verkaufen. Die steigende Zahl der Vertriebenen hat das traditionelle System der Gastfreundschaft zum Verschwinden gebracht, wie der Humangeograph Stephan Hochleithner in seiner Arbeit zeigt.
«What people do for money» wirkt sich auch auf das Streben nach Glück, Gesundheit und Gerechtigkeit aus, das uns alle antreibt. «Geld, Glück, Gesundheit, Gerechtigkeit» – so lautet auch der Untertitel von «Transactions». Die rund 30 Kunstwerke und Forschungsprojekte, die die beiden Kuratoren Katharina Weikl und Michael Hiltbrunner vom Graduate Campus der Universität zusammengebracht haben, sind locker nach diesen Themen gruppiert. Die Zuordnungen sind jedoch nicht immer eindeutig, sollen es auch nicht sein. Wenn sich zum Beispiel Textilarbeiter in China im Video von Julika Rudelius wie Stars in Pose werfen, so hat das ebenso mit Glücksvorstellungen zu tun, wie mit dem Traum vom vielen Geld.
Die Offenheit lädt die Besucherinnen und Besucher ein, selber eigene Bezüge zwischen den Werken zu schaffen und über Grenzen hinaus zu denken. Die Anregungen dazu sind vielfältig. Mal verspielt, wie der schwebende Hund, der vergeblich nach dem Knochen schnappt, mal geheimnisvoll, wie die Frachtbriefe von Lastschiffen, die in regelmässigen Abständen aus dem Nichts in den Lichthof flattern, mal verstörend anmutig, wie das Mobile aus Katzenknochen der Künstlerin Isabelle Krieg. Auf den ersten Blick ist nicht immer klar, was ist Kunst, was ist Forschung, denn auch die Forschungsprojekte sind zum Teil künstlerisch inszeniert. Ein Ausstellungsführer in gedruckter Form oder als App mit Hörstücken zu einzelnen Werken helfen, die Geheimnisse hinter den «Transactions» zu lüften.